Wer wünscht es sich auf seiner Camper Reise nicht: Einsame Stellplätze mit Fjord- oder Strandblick, romantisches Lagerfeuer am See und menschenleere Stellplätze auf Hochebenen mit atemberaubendem Panoramen. Genau so stellt man sich das Freistehen in Skandinavien mit dem Wohnmobil vor. Aber ist das wirklich die Realität? Wir Reisen seit vielen Jahren regelmäßig in den hohen Norden und haben 2023 ein halbes Jahr mit unserem Camper in Norwegen und Schweden verbracht. Zeit für einen kleinen und ehrlichen Realitätscheck!
Wie hat sich das Freistehen in den Jahren verändert? Wie sind die offiziellen Regeln für das Wildcampen und Freistehen in Norwegen und Schweden überhaupt? Wie reagiert die lokale Bevölkerung in Skandinavien auf die vielen Reisenden mit Wohnmobilen, Vans und Campern? Lassen sich immer noch überall und zu jeder Zeit Stellplätze in der Natur finden? Wie steht es um die Vanlife-Romantik mit Lagerfeuer, Hängematte und Outdoor-Kino? In welchen Regionen lässt sich besser oder schlechter Freistehen? Genau um diese Fragen soll sich dieser Artikel drehen!
- Die offizielle Gesetzeslage: Ist Freistehen und Wildcampen in Skandinavien eigentlich wirklich legal?
- So hat sich das Freistehen in Skandinavien in den letzten Jahren verändert
- Wie reagiert die lokale Bevölkerung auf die stetig wachsende Zahl an Reisenden mit dem Camper, Van und Wohnmobil?
- Kann ich auch in 2024 noch überall in Skandinavien Stellplätze in der freien Natur finden?
- Unsere persönliche Erfahrung nach 6 Monaten Camper Reise und Stellplatzsuche in Skandinavien
- Du möchtest auf deiner Reise durch Skandinavien auch einfach nur traumhafte Stellplätze und Ruhe in der Natur finden?
- Rücksichtsvoll zu Reisen muss wieder der Standard und nicht die Ausnahme sein
Die offizielle Gesetzeslage: Ist Freistehen und Wildcampen in Skandinavien eigentlich wirklich legal?
Wahrscheinlich hat schon jeder von der ultimativen Freiheit gehört, die dank des norwegischen und schwedischen „Jedermannsrechts“ im hohen Norden herrscht. Der ungehinderten Zugang zur Natur für Jeden, der seit jeher in der nationalen Identität der Skandinavier verankert ist. Oft wird hier vereinfacht gesagt, solange du deinen Müll aufsammeln und respektvoll mit der Natur umgehst, darfst du dich in der Natur frei bewegen und aufhalten. Egal ob zu Fuß, mit dem Zelt oder dem Camper. Aber ist es wirklich so einfach?
Was sagt das Jedermannsrecht eigentlich wirklich zur Nutzung der Natur mit einem Fahrzeug?
Tatsächlich bezieht sich das Jedermannsrecht inhaltlich ausschließlich auf die Naturnutzung zu Fuß und mit dem Zelt. Es wird jedoch inoffiziell wie folgt auch auf Wohnmobile und Camper ausgeweitet:
- Das Jedermannsrecht gilt in Bereichen der offenen Natur, nicht auf bewohnten oder bewirtschafteten Flächen.
- Genutzt werden dürfen nur bereits bestehende Pfade und Wege, es dürfen keine neuen Wege durch die Natur erschlossen werden.
- Abfall muss wieder mitgenommen werden und die Natur soll mir Respekt behandelt werden.
- Es gilt einen Mindestabstand von 150 Metern zum nächsten bewohnten Haus / Hütte einzuhalten.
- Bei mehr als zwei Übernachtungen sollten die Grundbesitzer um Erlaubnis gebeten werden.
- Vom 15. April bis zum 15. September sind aufgrund von Waldbrandgefahr offene Feuer in den meisten Regionen verboten. Ungefährdete Orte mit geringer Brandgefahr – wie etwa am Meer oder an ausgewiesenen Lagerfeuerplätzen – sind davon ausgenommen.
- Es darf jederzeit in der freien Natur geparkt werden, jedoch nur auf öffentlichen Wegen und Straßen. Privatwege dürfen nicht befahren werden.
- Es darf auf Parkplätzen, Picknickplätzen oder Stapelplätzen für Holz geparkt und übernachtet werden, sollte dieses nicht durch einen Hinweis verboten sein.
- Es gilt grundsätzlich, dass sich an einem Ort nicht eingerichtet werden darf. Camping-Equipment gehört in keinem Fall dauerhaft in die Natur.
Ein kleines Zwischenfazit auf Basis der Gesetzeslage
Ganz so einfach ist es also doch nicht. Das Jedermannsrecht kann grundsätzlich auch auf eine Reise mit dem Camper angewendet werden, hat jedoch definitiv auch eine Reihe von Einschränkungen. Leider können wir so viel schon einmal vorweg nehmen: Wenn man sich genau an diese Definition hält, müssten direkt mindestens 30% der eingezeichneten Naturplätze in der Park4Night-App entfernt werden. Meist weil sie entweder zu dicht an Häusern liegen, Privatwege zur Anfahrt genutzt werden müssen, Verbotsschilder in der Nähe angebracht sind oder es in der Hauptsaison so voll wird, dass es sich eher um inoffizielle Campingplätze als Naturplätze handelt. Es ist eher der offenen und freundlichen Art der Skandinavier zu verdanken, dass hier vieles dennoch geduldet wird.
So hat sich das Freistehen in Skandinavien in den letzten Jahren verändert
Skandinavien gilt natürlich nicht erst seit den Zeiten von Social Media als eines der beliebtesten Reiseziele mit dem Camper. Schon seit Jahrzehnten sind vor allem Norwegen und Schweden Anlaufpunkt für Naturliebende und Abenteurer auf vier Rädern. Und auch schon vor zwanzig Jahren wurde dabei wenn möglich frei in der Natur übernachtet. Es haben sich jedoch einige Faktoren grundsätzlich geändert:
Die reine Anzahl an Individualreisenden mit dem Wohnmobil schießt seit Jahren durch die Decke. Das reisen mit dem Camper ist kein Nischenurlaub mehr, sondern hat seinen festen Platz in allen Altersgruppen und quer durch die Bevölkerung gefunden. Wo früher vielleicht hunderte Camper im Laufe einer Saison in einer Region unterwegs waren, sind es mittlerweile viele tausende. Und natürlich zählen auch wir mit dazu!
Campingplätze werden immer häufiger gegen kostenfreie Stellplätze in der Natur getauscht. Das liegt vor allem an der extrem einfachen Suche nach Plätzen dank Apps wie „Park4Night“ oder Google Maps Satellit. Wo vor einigen Jahrzehnten noch Campingplatz-Reiseführer an der Tagesordnung waren und Naturplätze auf eigene Faust erkundet und gesucht werden mussten, reicht heute ein Blick in die App und im Umkreis ergeben sich oft direkt eine Hand voll Optionen. So gibt es kaum noch Orte, die nicht schon gefunden, geteilt und für die breite Masse zugänglich gemacht wurden.
So bereichernd Social Media für die eigene Reiseplanung ist, geht Inspiration hier leider oft Hand in Hand mit einer gewissen Form der Realitätsverzerrung. Unter dem Hashtag #Vanlife finden sich nicht nur authentische Reiseberichte, sondern auch oft die Illusion eines unbeschwerten Lebens im Camper, das so nicht der Realität entspricht – oder entsprechen sollte. Hecktüren auf und direkt in die Natur blicken, weit und breit keine Menschenseele. Freiheit in Perfektion. Wie es auf der anderen Seite der Kamera aussieht, wird hierbei dem ästhetischen Content zugunsten gern ausgeblendet. Ebenso wie die Anzahl an anderen Campern. Das sind in Skandinavien aufgrund der häufig eher kleinen Plätze in der Natur zwar selten mehr als zwanzig, in anderen Regionen aber gerne auch mal um die hundert.
Wie reagiert die lokale Bevölkerung auf die stetig wachsende Zahl an Reisenden mit dem Camper, Van und Wohnmobil?
Eine Antwort auf diese Frage lässt sich auf Basis unserer Erfahrung nur schwer verallgemeinern. Zu groß sind die regionalen und saisonalen Unterschiede. Zudem sind die Menschen in Norwegen und Schweden eher ruhige Zeitgenossen und von Natur aus offen und hilfsbereit. Solltest du also keine totale Dummheit angestellt haben und deinen Camper mitten in einer Weide vergraben haben, wirst du wahrscheinlich kein negatives Wort hören. Vermutlich würden sie dir selbst dann immer noch zuerst ihre Hilfe anbieten als dich zu fragen, was du eigentlich auf der Weide verloren hast.
Die wachsende Unzufriedenheit, vor allem entlang der touristischen Hauptrouten und beliebten Destinationen, lässt sich eher durch die deutlich zunehmenden Zahl an „No Camping“-Schildern, „Private Land“-Markierungen und verbarrikadierten Zufahrtswegen erkennen. Forststraßen die vor einigen Jahren noch an die schönste Seen geführt haben, sind mittlerweile mit Ketten und Schlössern gesichert. Gemeinden verbieten ganzheitlich das Übernachten auf Parkflächen und Höhenbegrenzungen verhindert die Zufahrt auf Freiflächen. Nicht nur im städtischen Raum, sondern vermehrt auch an Küsten, Stränden und Natur-Highlights.
Verändert sich also die Akzeptanz gegenüber Camper im Land? Unserer Meinung nach in vielen Regionen auf jeden Fall. Und leider nicht zum positiven.
Kann ich auch in 2024 noch überall in Skandinavien Stellplätze in der freien Natur finden?
Unsere ehrliche Meinung und persönliche Erfahrung: Vor allem in der Hauptsaison von Juni bis August leider nein. Das gilt, wie bereits oben erwähnt, nicht für gesamt Norwegen und Schweden, sondern primär für die absoluten Hotspots und Hauptrouten. Entlang der Fjordküste von Norwegen, den Seenlandschaften in Südschweden, an den Ausgangspunkten für die beliebtesten Wanderungen, auf den Inselgruppen der Lofoten und Vesteralen, der Insel Senja sowie den berühmtesten Nationalparks. Wir sagen auf keinen Fall, dass es hier nicht grundsätzlich Stellplätze in der Natur gibt. Die gibt es, und zwar viele. Jedoch ist die Konkurrenz bei der Platzsuche extrem groß, die Stellplätze sind häufig komplett überfüllt oder sie entsprechen schlicht nicht mehr dem wonach man eigentlich sucht. Einem schönen, ruhigen Platz in der Natur der keinem Campingplatz gleich. Findet man grundsätzlich einen Platz zum übernachten? Mit Sicherheit. Nur nicht immer da, wo man eigentlich sein wollte und nicht immer in der Natur.
Etwas anders sieht es vor allem in der Nebensaison und auf individuelleren Routen durch Skandinavien aus. Dazu verraten wir dir im nächsten Abschnitt mehr.
Unsere persönliche Erfahrung nach 6 Monaten Camper Reise und Stellplatzsuche in Skandinavien
Wir persönlich haben den großen Luxus und das Privileg, uns unsere Reisezeit, die Reisedauer und die Reiseroute komplett flexibel aussuchen zu können. Wir sind nicht an Schulferien gebunden und haben auch nicht nur wenigen Wochen im Jahr Zeit für eine Reise. Auf Basis dieser Grundlagen achten wir extrem auf die für unsere Vorstellungen passende Reisezeit und versuchen, wo und wie immer es möglich, ist antizyklisch unterwegs zu sein. Natürlich klappt das manchmal besser und manchmal schlechter. Auf unserer sechsmonatigen Reise durch Norwegen und Schweden von Mai bis November 2023 konnten wir es natürlich nicht vermeiden auch in der touristischen Hauptsaison unterwegs zu sein. Um dennoch die Natur in großen Teilen ungestört erleben zu können, haben wir unsere Route entsprechend geplant.
Hier kommen unsere persönlichen Erfahrungen:
Du möchtest auf deiner Reise durch Skandinavien auch einfach nur traumhafte Stellplätze und Ruhe in der Natur finden?
Die „richtige“ Reiseroute zur richtigen Jahreszeit zu finden ist nicht immer einfach. Vor allem nicht in Skandinavien. Spät einsetzende Sommer, Schnee und Minusgrade auf Hochebenen, gesperrte Straßen und arktische Winde im hohen Norden. Vor allem eine Reise in der Nebensaison richtig zu planen ist nicht gerade einfach. Aber genau hier liegt auch die größte Freiheit. Einsame Stellplätze und Nationalparks, hautnahe Wildlife-Begegnungen und spektakuläre Landschaften im Wandel der Jahreszeiten.
Wir sind mit unserem eigenen Camper mittlerweile mehr als 10.000 Kilometer durch Skandinavien gereist. Haben dabei alle Jahreszeiten erlebt, so gut wie jede Region kennenlernen dürfen und haben an den spektakulärsten Orten übernachtet. Mit meiner individuellen Skandinavien Reiseplanung gebe ich mein Wissen weiter und plane gemeinsam mit dir oder für dich deine Wunschreise durch Norwegen und Schweden. Dabei kannst du dir sicher sein, dass meine Empfehlungen nicht aus einem Reiseführer stammen, sondern direkt aus erster Hand!
Rücksichtsvoll zu Reisen muss wieder der Standard und nicht die Ausnahme sein
Versteht uns bitte auf gar keinen Fall falsch. Natürlich reisen wir, genauso wie viele andere, mit unserem Camper durch die Welt und nutzen Stellplätze in der Natur. Und auch wir schreiben und berichten auf unseren Kanälen über unsere Erlebnisse und zeigen uns in schönen Landschaften. Wir wollen hier also nicht den Moralapostel spielen, sondern einfach aufklären. Die Realität ansprechen die wir tagtäglich erleben und ein wenig die Augen öffnen. Wir sind der Meinung, dass viele Probleme gelöst oder entschärft werden könnten wenn jeder Reisende mit ein wenig mehr Rücksicht gegenüber Einheimischen, der Natur und anderen Mitreisenden unterwegs ist. Wir persönlich haben für uns Richtlinien definiert, die über das klassische „Jedermannsrecht“ hinaus gehen und an die wir uns bei der Stellplatzsuche zusätzlich versuchen zu halten:
Was denkst du darüber? Folgst du bei der Stellplatzsuche auch eigenen Regeln? Wenn ja, würden wir uns über einen Kommentar sehr freuen! In diesem Sinne: Let’s roadtrip the world!